Evangelium nach Johannes (6,24-35)
Was lässt mich leben? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was Sie leben lässt? Was gibt Ihnen Energie, innere Treibkraft und inneren Halt? Was macht Ihr Leben lebenswert? Das kann sehr unterschiedlich sein: Sind es materielle Dinge, bestimmte Aufgaben im Leben, bestimmte Menschen oder Hoffnungen? Was gibt meinem Leben Inhalt, was macht mir tiefe Freude, was macht mich sogar glücklich? Was lässt mich leben?
Es ist nichts Neues in der Geschichte der Menschheit: Wir kennen es schon aus der Römerzeit: Damals wollten die Kaiser dem Volk immer nur „Brot und Spiele“ geben, um es zufrieden zu stellen, ruhig zu halten. Ist das heute anders? Sorge dafür, dass die Menschen einen vollen Magen haben und abgelenkt werden durch Spiele und Unterhaltungsindustrie, durch Konsum, durch große Sport- und Kulturveranstaltungen. Wird aber dadurch der Hunger der Menschen gesättigt? Ist dafür nicht mehr notwendig, etwas Tieferes, Geistiges? „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein.“ In jedem Menschen steckt eine tiefere Sehnsucht. Wonach? Um diese Sehnsucht geht es Jesus.
Die Menschen sind von ihm begeistert, weil sie sich dank ihm satt essen konnten, wie im Evangelium am letzten Sonntag erzählt wurde. Es war eine große Sensation! Aber Jesus ist nicht gekommen, um die körperlichen Nahrungsbedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Er will den Menschen mehr bieten als leibliches Sattwerden. Es gibt auch einen „geistigen“ Hunger, und den will Jesus sättigen.
Deswegen sagt Jesus: „Ich bin das Brot, das Leben schenkt. Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungrig sein.“ Was für ein Versprechen, eine Zusage! Aber glaube ich daran, habe ich schon so eine Erfahrung gemacht?
Machen wir die Erfahrung, dass Jesus unseren Hunger und unsere Sehnsucht nach Leben stillt? Haben wir das Gefühl, dass unser Leben - durch unseren Glauben an Jesus - an Tiefe und Qualität gewinnt? Spüren wir durch unsere Beziehung zu Jesus und zu Gott eine Lebenskraft, die hilft, das Leben zu bewältigen oder wenigstens halbwegs gut zu überstehen? Macht es uns froh und glücklich an Jesus und an Gott glauben zu können?
Jesus hat das, worauf es im Leben ankommt, was unser Leben gelingen lässt, auf den Punkt gebracht. Und der große russische Schriftsteller Leo Tolstoi hat das in einer seiner Kurzgeschichten so umschrieben: „Die Menschen glauben, sie leben durch die Sorge für ihr Ich. Sie leben aber einzig durch die Liebe. Wer in der Liebe lebt, lebt in Gott und Gott in ihm, denn Gott ist die Liebe.“ Ist das nicht der geheime Tipp, den Jesus uns gibt und versuchen wir danach zu handeln?
Dazu brauche ich Jesus. Er soll mich leiten und stärken, diesen Lebensweg zu gehen. Ich brauche ihn, so wie ich Brot zum Leben brauche. Er ist für mich wie Brot. Er ist für mich das wichtigste geistige Nahrungsmittel.
In der Bibel wird sehr oft erzählt, wie Jesus sich immer wieder in die Einsamkeit zurückzog um zu beten, um seine Kraft bei Gott zu holen. Jesus lebte in der Überzeugung, dass Speis und Trank, die Sonne, die über Guten und Bösen aufgeht, und die Pracht der Lilien Zeichen der Zuwendung Gottes zu uns sind. Deswegen kannte er wahre Lebensfreude. Und Jesus sagt: „Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern und Durst haben.“
Sicher, die Sprache dieses Evangeliums ist Bildsprache. Aber kann man besser formulieren, was in unserem tiefsten Wesen steckt und welche Rolle Jesus hier spielt, wie wertvoll er für uns ist?